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Leitlinien zum Management der drohenden Frühgeburt

Consensusmeeting 8.-9. November 2002, Pöllauberg, Stmk
Teilnehmer:

P. Afschar
H. Helmer (Erstellung) AKH Wien Ch. Herbst
Moderator: N. Pateisky
Prolog
Die Empfehlungen dieser Leitlinie beziehen sich auf den Zeitraum zwischen dem
Eintreffen der Patientin in einer geburtshilflichen Abteilung und der Entscheidung zur
Entlassung oder zur Geburt.
Sämtliche Aspekte von Diagnose, Therapie und Management betreffen
Einlingsschwangerschaften. Mehrlingsschwangerschaften und Frühgeburten, die
Folge eines medizinisch indizierten, aktiven klinischen Managements sind (iatrogene
Frühgeburten) , stellen eine eigene Entität dar und sind von dieser Leitlinie
ausgenommen.
A. Diagnose

Der klinisch relevante Zeitbereich für eine Diagnostik der drohenden Frühgeburt
kann nach unten nicht exakt begrenzt werden .In Zusammenhang mit Therapie und
Intervention ergibt sich jedoch die Notwendigkeit, Grenzziehungen vorzunehmen. Die
Grenzen werden mit einem gesichertem Gestationsalter von 24+0 Wochen bis 33+6
Wochen festgelegt.
Grundvoraussetzung sowohl für Behandlungsbeginn als auch Behandlungsende ist
ein gesichertes Gestationsalter. Bei unklarem Gestationsalter ist dessen Sicherung
oder annähernde Klärung neben der Erfassung der Symptome einer drohenden
Frühgeburt eine absolute Notwendigkeit.
Verdacht auf eine drohende Frühgeburt besteht, wenn eines oder mehrere der
genannten Symptome zu finden sind:

Zur Verifizierung und Quantifizierung der Diagnose sollen die nachfolgenden
klinischen Instrumente in der angegebenen, empfohlenen Reihenfolge eingesetzt
werden:
? ? Anamneseerhebung: Beschreibung uteriner Kontraktionen,
menstruationsähnlicher Beschwerden, tiefer Rückenschmerzen, wässriger oder blutiger Vaginalabgänge etc. ? ? CTG: Abklärung des fetalen Zustandes und der Wehentätigkeit
? ? Abdominale Sonographie: fetale Lage und Biometrie, Lokalisation der Plazenta,
Uterusform, Fruchtwassermenge, fetaler Zustand (Doppler) ? ? Spekulum-Einstellung: Abnahme eines Abstrichs zur Infektionsabklärung
(Mikrobiologie) sowie des fetalen Fibronectins (s.u.) und des Actim PROM Tests (s.u.), Evaluierung einer Blutung, eines Fruchtwasserabgangs, eines Fruchtblasenprolapses sowie der Muttermundsweite ? ? Vaginale Sonographie: Messung der Zervixlänge, Beurteilung einer
? ? Laborparameter: Für die Einschätzung eines Amnion-Infektions Syndroms
können Anstieg des C-reaktiven Proteins und/oder Leukozytose hilfreich sein (Cave: andere Grenzwerte in der Schwangerschaft)
Finden sich während eines Zeitraums von 30 Minuten ? 4 subjektiv klar verspürte
und/oder im Tokogramm darstellbare Kontraktionen, so kann dies ein klinisches
Zeichen einer drohenden Frühgeburt sein.
Zeigt sich bei der Vaginal - Sonographie eine Verkürzung der Zervixlänge unter 25
mm (Richtwert) und/oder eine Trichterbildung, so kann dies als Zeichen einer
drohenden Frühgeburt gewertet werden 1,2
Da jedoch jedes der beiden Symptome – Wehentätigkeit und Zervixverkürzung -
isoliert beobachtet, eine nur geringe Aussagekraft besitzt, soll bei diesen Symptomen
die klinische Diagnose über eine Verlaufsbeobachtung gestellt werden. In diesen
Fällen des isolierten Auftretens ist die zusätzliche Bestimmung der Konzentration des
fetalen Fibronektins im Vaginalsekret hilfreich 3.
Sollte bei Verdacht auf einen frühen, vorzeitigen Blasensprung (pPROM =preterm,
Premature Rupture Of fetal Membranes) die Speculumuntersuchung und die
sonographische Beurteilung der Fruchtwassermenge keine eindeutige
Diagnosestellung ermöglichen, wird der Fruchtwassernachweis durch Verwendung
immunchromatographischer Methoden (Actim PROM Test) empfohlen.
Bemerkung:
Bei klinischem Verdacht auf eine drohende Frühgeburt soll auf die vaginale
Palpationsuntersuchung bewußt verzichtet werden. Die Information über Konsistenz
der Portio und Muttermundsweite stehen in keinem Verhältnis zum Risiko der Infekt –
Provokation. Bei pPROM ist die vaginale Palpationsuntersuchung kontraindiziert 4,5,6.
B. Therapie

Tokolyse
Die Durchführung einer Tokolyse wird bei drohender Frühgeburt prinzipiell
empfohlen. Primäres Ziel ist es, eine Wehenhemmung über 48 Stunden zu
erreichen, um während dieser Zeit eine vollständige kindliche Lungenreifung
durchführen zu können und die Schwangere im Rahmen eines antenatalen
Transportes an ein perinatologisches Zentrum zu bringen . Eine Tokolyse über den
Zeitraum von 48h hinaus kann in Ausnahmefällen überlegt werden.
Die Tokolyse ab 24+0 SSW wird als sinnvoll erachtet. Eine Tokolyse nach Erreichen
von 33+6 Schwangerschaftswochen wird nicht empfohlen .
Beta-Mimetika (Hexoprenalin, Terbutalin) und Antagonisten von Oxytocin auf
Rezeptorebene (Atosiban) sind gleich wirksame Tokolytika 7,8. Oxytocin-Antagonisten
führen zu signifikant geringeren mütterlichen Nebenwirkungen8. Bei gegebenen
mütterlichen Indikationen soll den Oxytocin-Antagonisten der Vorzug gegeben
werden.
Aufgrund einer im Vergleich zu Beta-Mimetika geringeren Tachyphylaxie-Wirkung sollen bei Indikation zur prolongierten Tokolyse nach erreichter Lungenreifung Oxytocin-Antagonisten verwendet werden8. Magnesiumsulfat kann aufgrund der derzeitigen Datenlage zur Tokolyse nicht empfohlen werden 9. Tokolytisch wirksame, aber als Tokolytika nicht registrierte Medikamente wie Calcium-Antagonisten, Indomethacin oder NO-Donatoren sollen nur unter Studienbedingungen verwendet werden. Die orale Tokolyse besitzt weder als ausschleichende Therapie nach einer parenteralen Tokolyse noch als Prophylaxe vor wieder auftretenden Wehen eine nachgewiesene Wirksamkeit, führt aber zu deutlichen Nebenwirkungen. Sie ist daher obsolet10. Bei Vorliegen eines pPROM und vorzeitigen Wehen wird die Tokolyse lediglich für 48 Stunden empfohlen . Lungenreifung Bei drohender Frühgeburt (SSW 24+0 bis 33+6) hat die einmalige Verabreichung von 2 mal 12 mg Betamethason im Abstand von 24 Stunden einen protektiven Effekt auf das Kind 11. Falls eine Entbindung im Zeitraum des Wochenwechsels SSW 23/24 unmittelbar droht, so soll die Lungenreifung in Einzelfällen vor SSW 24+0 erfolgen. In diesen Fällen kann auch eine Tokolyse in der Woche 23+0 bis 23+6 durchgeführt werden. Die Lungenreifung mit Betamethason soll, wenn möglich, nur als einmal applizierter Zyklus erfolgen. Bei prolongierter Gefahr einer Frühgeburt (siehe Diagnostik) kann in bestimmten Fällen ein zweiter Zyklus verabreicht werden. Die Verabreichung im oben genannten Zeitraum wird auch bei pPROM empfohlen. Bei klinischem Verdacht auf ein Amnion-Infektionssyndrom ist weder Lungenreifung noch Tokolyse indiziert. Antibiotikatherapie Bei drohender Frühgeburt und intakter Blase ohne Infektionszeichen wird eine prophylaktische Antibiotikagabe nicht empfohlen12. Bei klinischem Verdacht auf Infektion werden zum Beispiel Ampicillin oder geeignete Makrolide bis zum Eintreffen der Abstrichbefunde empfohlen. Die prophylaktische Antibiose bei pPROM bis längstens 7 Tage bzw Eintreffen des Antibiogramms der Kultur der vaginalen Abstriche ist mit einem besseren fetalen und maternalen Outcome verbunden. 13 Die regelmäßige Kontrolle der Serum-Infektionsparameter und der Vaginalabstriche
nach Bedarf wird empfohlen.
Frühgeborene Kinder unterliegen einem erhöhten Risiko des Auftretens einer
Neugeborensepsis (frühe Form) durch Streptokokken der Gruppe B (GBS). Die
rasche Ermittlung des GBS-Kolonisierungsstatus durch eine bakteriologische Kultur
wird empfohlen. Bei unmittelbar drohender Frühgeburt und unbekanntem oder
positivem Kolonisierungsstatus soll eine peripartale Antibiotika-Applikation nach
einem gültigen Schema zur Vermeidung einer GBS-induzierten Sepsis erfolgen14.
Bei fehlenden Infektionszeichen und pPROM ist eine Schwangerschaftsverlängerung
bis maximal 31+6 anzustreben15,16.
Therapeutische Cerclage bei Fruchtblasenprolaps :
Die Durchführung einer Cerclage bei prolabierender Fruchtblase ist in ausgewählten
Fällen möglich.
Bei Wehentätigkeit, pPROM, Infektion der Geburtswege oder vaginaler Blutung soll
diese nicht durchgeführt werden.
Bei aufgebrauchter Zervix soll die Indikation zurückhaltend erfolgen.
Nach SSW 25+6 wird die Cerclage nicht empfohlen.
Nach therapeutischer Cerclage soll eine prophylaktische Tokolyse über 48 Stunden
appliziert werden.
Eine Pessartherapie hat keinen nachgewiesenen, therapeutischen Effekt.
Thromboseprophylaxe:
Bei gegebener Indikation ist bei stationär aufgenommenen Patientinnen eine
Thromboseprophylaxe vorzunehmen.
C. Geburt

Entbindungsmodus bei extrem früher Frühgeburt
Vor SSW 24+0 soll keine Sectio mit dem Zweck einer Verbesserung des kindlichen
Outcome durchgeführt werden.
Im Zeitraum 24+0 bis 24+6 soll individuell über die Durchführung einer Sectio
entschieden werden.
Ab SSW 25+0 wird ein aktives Vorgehen im Sinne einer Sectio empfohlen, wobei
jedoch der für den Feten schonendste Geburtsmodus gewählt werden soll.
Bei Durchführung einer Sectio kann die Anwendung einer Bolustokolyse, z.B unter
Verwendung eines Stickstoff-Monoxid Donators, hilfreich sein. Es bestehen
2 Applikationsmöglichkeiten für den NO-Donator: entweder 0,8 mg Nitroglycerin
sublingual (Nitrolingual Pumpspray 0,4 mg, 2 Hübe) oder 0,2 mg Nitroglycerin iv. (z.B
Perlinganit 10 mg Amp. in enspr. Verdünnung). Die Applikation erfolgt unmittelbar vor
der Uterotomie17,18.
Die Sectio bei extrem früher Frühgeburt soll von dem/der erfahrendsten, sich im
Dienst befindlichen Geburtshelfer/in durchgeführt werden.
Bei frühen Frühgeburten und Beckenendlage soll eine Sectio durchgeführt werden19.
D. Allgemeine Bemerkungen zum Management der drohenden
Frühgeburt

Individuelle Absprachen zwischen Geburtshelfern und Neonatologen im
Regionalbereich, die schriftlich festgehalten werden sollen, sind aufgrund ihrer
forensischen Bedeutung einzufordern.
Überregional sollen konsensuelle Absprachen zwischen den entsprechenden
Schwerpunktspitälern und den regional betreuenden Spitälern zu Fragen des
Antenataltransportes erfolgen.
Von den perinatologischen Zentren wird gefordert, den zuweisenden Abteilungen
entsprechende Berichte über den weiteren Verlauf ihrer zugewiesenen Patientinnen
sowie über deren eventuell geborene Kinder zu übermitteln.
Die Dokumentation über den Ablauf individueller Entscheidungen beim Management
drohender Frühgeburten besitzt einen sehr hohen Stellenwert und soll
nachvollziehbar durchgeführt werden
Eine psychologische Begleitung soll sowohl prä- als auch postpartal zur Verfügung
gestellt werden, da sich die Patientin und ihre Angehörigen während einer drohenden
Frühgeburt in einer psychischen Extremsituation befinden. Die psychologische
Begleitung soll nach Möglichkeit auch in der Muttersprache der Patientin erfolgen.
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Source: http://medical-dynamics.nl/wp-content/uploads/2013/04/Literatuur_PROM_Austrian_recommendation_LeitlinienOEGGG.pdf

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